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Jevgenij Kulikov: „Meine Kunst ist meine Sprache“

Ausstellung „Mein Universum“ des ukrainischen Künstlers im 4Fachwerk-Museum eröffnet

Wir sind sehr stolz, dass sie bei uns sind,“ begrüßte 4Fachwerk-Vorsitzender Dieter Siebel den in der Ukraine geborenen Künstler Kulikov, der heute im AK-Nachbarkreis in Freusburg lebt und arbeitet. Ihn beschrieb Kuratorin Dr. Ingrid Leopold als „wissensdurstigen, fantasievollen Menschen, als Künstler und Philosophen“. Sie zeichnete dessen Lebensweg nach, von seiner Jugend und seiner künstlerisch-akademischen Ausbildung an der Kiewer Akademie der bildenden Künste und Architektur. 1981 schuf er eine etwa elf Meter große Prometheus-Skulptur am Gebäude der Technischen Universität in Ukraines Hauptstadt. Diese symbolische Darstellung des „Vorausschauenden“ für Wissenschaften und technischen Fortschritt sei besonders eindrucksvoll gelungen, so Ingrid Leopold. Dem folgte dann 1983 die Restauration des Kiewer Marienpalasts, der heutigen Residenz des Ukraine-Staatspräsidenten. Für seine Mitwirkung daran erhielt Kulikov den Taras-Schewtschenko-Preis, die höchste Auszeichnung der Ukraine für Kunst und Kultur. 1990 wurde er zum Professor berufen.

Vielfältige Ausdrucksformen entdeckte Jevgenij Kulikov für sich, die auch in der Freudenberger Ausstellung ihren Widerhall finden. Es sind Gemälde und Skulpturen, Fotografien und Informationsmaterial von großen Restaurationsarbeiten oder Bühnenbildern. Dr. Ingrid Leopold unternahm in ihrer Einführung eine „Wegbeschreibung“ durch die Ausstellung, um die verschiedenen Facetten der retrospektiven Ausstellung aufzuzeigen: „Es sind Kunst-Entwicklungen über fünf Jahrzehnte, die im freien Schaffen den Mensch in den Mittelpunkt stellen und sich mit Fragen an das Leben beschäftigen.“ Ihr Urteil: Eine außergewöhnliche Ausstellung, die Begeisterung und Bewunderung auslöse.

Kulikov kam 1993 nach Deutschland, 2003 zog er nach Freusburg, wo er heute mit seiner Familie lebt und ein großes Atelier unterhält. In diesem Mai feierte er seinen 75. Geburtstag. Der Künstler dankte allen, die diese Werkschau ermöglicht haben: „Das Konzept der Ausstellung ist der philosophisch-allegorische Versuch der Welt mit Mitteln der Kunst Sinnhaftigkeit zu verleihen.“ Sein Fazit: „Meine Kunst ist meine Sprache.“ Das Angebot zum Dialog über die Werke nahmen die Gäste gerne an, die sich sehr beeindruckt zeigten.

In Freudenberg ist übrigens seine Bronze-Skulptur „Balance“ vor dem KulTourBackes am Marktplatz zu sehen. „Er ist im Flecken also kein Unbekannter,“ so Dieter Siebel.

Die Ausstellung im 4Fachwerk-Mittendrin-Museum ist bis zum 14. November 2021 zu sehen. Der Eintritt beträgt drei Euro. Sonderführungen sind nach Absprache möglich.

Museum mit umfangreichen Zukunftsplanungen

4FACHWERK-Jahreshauptversammlung mit Vorstandswahlen

Auch eine Corona-Folge: Die Jahreshauptversammlung mit Rückblick auf zwei Jahre (2019 und 2020). 4Fachwerk-Vorsitzender Dieter Siebel und seine Stellvertreterin Dr. Ingrid Leopold hatten den Vereinsmitgliedern im Ratshaus-Saal somit eine Menge zu berichten. Die Rückschau war Pandemie-geprägt. Von Mitte März bis Mitte Mai 2020 und von November 2020 bis Juni 2021 war das Museum entsprechend den Schutzverordnungen geschlossen. 2019 standen sieben Sonderausstellungen auf dem Programm, zu ihnen gehörte die geschichtliche Thematik „550 Jahre Asdorfer Weiher“. Ein Jahr später gingen nur noch zwei Ausstellungen planmäßig über die Bühne. Die große Worpswede-Präsentation „Alles mit Links“ war nur eingeschränkt in Etappen zu sehen, ebenso die Werkschau von F. Berndkaster. Lediglich eine „Lechtdonn“ konnte angeboten werden, mit der Dieter Siebel erzählender Weise Einblicke in die Geschehnisse im Alten Flecken gibt.

Wenn schon keine Gäste kommen konnten, so waren doch Handwerker im Museum aktiv. Das Treppenhaus wie die Fenster der Außenfassade konnten renoviert werden.

Und die Planungen für eine Umgestaltung der Uhrenausstellung im Dachgeschoss sowie gemeinsame Überlegungen mit dem LWL-Museumsamt für die Neukonzeption der „Stadtgeschichte“ wurden weiter vorangetrieben. Aktuelle Informationen über Programm und Angebote werden zudem über die Schaufensteranlage im Haus Oranienstraße 23 transportiert. „Für uns ist es zusätzliche Werbung und wir haben etwas gegen Leerstand in der Altstadt getan,“ so Ingrid Leopold.

In diesem Jahr wird 4Fachwerk noch zwei künstlerische Höhepunkte bieten. Ab 2. Oktober stellt sich unter dem Titel „Mein Universum“ der aus der Ukraine stammende und in Freusburg lebende Künstler Jevgenij Kulikov vor. Das Finale wird die Erinnerung an zwei Siegerländer Künstlerpersönlichkeiten bilden: Ab 20. November werden dann Werke von Theo Meier-Lippe und Ruth Fay im Freudenberger Museum zu sehen sein.

Alles in allem: Der Museumsverein 4Fachwerk Freudenberg e.V. hat sich noch viel vorgenommen und deshalb sollte auch die Zahl der Beisitzer im Vorstand von Vier auf Sechs erhöht werden. Eine Satzungsänderung, die einstimmig angenommen wurde. Ulrike David und Martin Quandel, zogen neu in den Vorstand ein, die weiteren Beisitzer sind Gero Gieseler, Marie-Luise Uhr, Christian Berner und Ulrich Tiede. Einstimmig wählten die 4Fachwerker ihren Vorsitzenden Dieter Siebel und seine erste Stellvertreterin Dr. Ingrid Leopold wieder. Neuer Vize-Vorsitzender ist darüber hinaus nun Klaus Siebel-Späth. Das einstimmige Votum „Wiederwahl“ galt ebenso für Schatzmeister Eckhard Günther und Schriftführer Bernd Brandemann. Kassenprüfer Gottfried Theis übernahm die Leitung der Wahlgänge. Für das künftige Prüfgeschäft wählten die Mitglieder Kasimir Zembala und Marli Bartling.

Für 2022 ist das Ausstellungsjahr bereits mit sechs Präsentationen vorgeplant und die Corona-Auszeit des Arbeitskreises „Stadt- und Baugeschichte“ soll nun beendet werden. „Alle Etagen werden in Kürze mit Luftfiltern ausgestattet sein,“ kündigt Klaus Siebel-Späth an, in dessen Ressort die „Haustechnik“ fällt.

Dieter Siebel dankte allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die dem Museum ihre Zeit und ihr Wissen schenken. Großes Lob galt dem Service- und Kassenbereich: „Der sorgt für die gute Atmosphäre im Haus“.

„Mein Universum“

4FACHWERK-Museum stellt den ukrainischen Künstler Jevgenij Kulikov vor

Jevgenij Kulikovs Anspruch klingt wie ein Widerspruch: Dynamisch aktive Bewegung im Stillstand darstellen. Bei seiner Bronzefigur „Balance“, die seit September 2019 den Eingangsbereich der Freudenberger Altstadt schmückt, ist dies dem 1946 in Kiew geborenen Künstlers genial gelungen.

Die Skulpturen des Bildhauers strahlen in der Tat Emotionen aus, wecken Empfindungen. Seine Werke tragen die Bezeichnung Licht, Morgen, Nacht, Aufwachen, Geist, Sohn, Familie oder Leidenschaft. Und sie strahlen treffsicher eine visuelle lebendige Wahrnehmung aus, die überall verstanden wird. Ruhe, behütete Zuneigung oder energiegeladenes Erwachen, seine Schöpferkraft weiß präzise diese Situation so zu formen, so dass damit eine eindeutige visuelle Botschaft verbunden ist. Hohe Kunst, die auf wirklichem Können und akribischer Handfertigkeit aufbaut.

Jevgenij Kulikovs Anspruch klingt wie ein Widerspruch: Dynamisch aktive Bewegung im Stillstand darstellen. Bei seiner Bronzefigur „Balance“, die seit September 2019 den Eingangsbereich der Freudenberger Altstadt schmückt, ist dies dem 1946 in Kiew geborenen Künstlers genial gelungen.

Kein Wunder. Jevgenij Kulikov genoss eine klassische Ausbildung und seine vielfältigen künstlerischen Tätigkeiten ließen seine Leistungsfähigkeit und Qualität beständig wachsen. Nach dem Besuch der Kunstschule (1958-1964) absolviert er sein Studium an der Nationalen Akademie der Bildenden Künste und Architektur in Kiew (1964-1970). Bekannt wird er durch Monumental-Plastiken an öffentlichen Gebäuden in seiner Geburtsstadt. 1981 entsteht eine elf Meter umfassende Prometheus- Skulptur für die Nationale Technische Universität, 1990 wird der hochtalentierte Bildhauer zum Professor ernannt, er kann seine Werke international auf Ausstellungen präsentieren.

Er arbeitet zudem als Bühnenbildner, entwirft Kostüme für Theateraufführungen, kreiert Lichtinstallationen. Eine innige Liebe zum Theater ist unverkennbar: Seine erste Bühnenarbeit am Nationaltheater Prag wird 1997/98 als die beste in Tschechien ausgezeichnet. Er erhält den Kritikerpreis für die beste Inszenierung auf dem Festival „Moskauer Frühling 89“, ebenso den Hauptpreis des internationalen Festivals in Washington „Deaf way“.

1995 zählt Kulikov zu den Mitbegründern des „Theaters der Poesie“ in Kiew, ein Projekt, das durch Verbot wegen des großen Interesses in der Bevölkerung schließlich endet.

Der eigentlich vorgezeichnete Erfolgsweg wird ausgebremst. Zunehmend empfindet er sein Land „als großes Gefängnis“. „Nach dem Zerfall der früheren UdSSR wurde dort alles andere gebraucht, nur nicht die Kunst“, äußert er sich in einem Interview. Und wenn doch, so habe ihm die künstlerische Freiheit gefehlt. „Ich will nicht die Ideen von Politikern verwirklichen, sondern meine,“ so sein eindeutiges Votum. „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu,“ formulierte Wolf Biermann in ähnlicher Situation.

Den hochangesehenen und begabten Künstler Kulikov führt sein Weg 1993 nach Deutschland. Hier arbeitet er wieder als Bildhauer und Restaurator. Die Restauration und Wiederherstellung des Skulpturenkomplex im Mausoleum der Grafen von Wied-Runkel in Dierdorf zählt dabei zu einer seiner wichtigen Aufgaben.

Bei seinem Aufenthalt im Westerwald lernte er seine Ehefrau Irina kennen. Der erste Wohnort für Beide war Unnau bei Bad Marienberg. Seit 2003 ist die Familie mit Töchtern in Freusburg beheimatet.

1995 schuf er eine Büste von Ernst Jünger (1895-1998) zum einhundertstem Geburtstag des Schriftstellers. Ein Bronze-Abguss davon ist im Jünger-Haus in Wilflingen (Landkreis Biberach, Oberschwaben) ausgestellt.

Zunehmend bringt der Künstler seine Gedanken als Maler zum Ausdruck. Seine wirkungsvollen Bilder entstehen zumeist mit Ölfarben auf Leinwand. Sie werden nun im Freudenberger 4Fachwerk-Mittendrin-Museum präsentiert. Aber auch Beispiele aus seinem Schaffen als Bildhauer oder Bühnenbildner werden gezeigt.

Und wenn ukrainische Gäste nach Freudenberg kommen, werden sie sich beim Anblick der Stadtfahnen womöglich sehr geehrt fühlen. Denn zufällig sind die traditionellen Stadtfarben Blau/Gelb identisch mit den Nationalfarben der Ukraine. Nach populärer ukrainischer Lesart handele es sich um die symbolische Darstellung der „Kornkammer Europas“, das kräftige Gelb symbolisiere reife Kornfelder, das Blau den Himmel darüber. Tatsächlich liegen die Ursprünge der ukrainischen Nationalfarben im mittelalterlichen Fürstentum Galizien-Wolhynien, dessen Wappen ein goldener Löwe auf blauem Feld darstellte. Die Siegerländer Farben blau/gelb gehen auf das Stammwappen des Fürstentums Nassau-Siegen zurück. Dort heißt es: „In Blau ein goldener Löwe“.

Die Ukraine erlangte 1991 ihre Unabhängigkeit, als sie sich aus dem zerfallenden Staatenbund der Sowjetunion löste. Seit 1992 verwendet sie wieder die Flagge in der heutigen Form. Sie bedeutet also geschichtliche Kontinuität wie Ausdruck des Wandels.

Ukraine und Deutschland verbindet Kunst: In diesem Sommer dirigierte mit der Ukrainerin Oksana Lyniv zum ersten Mal in der 145-jährigen Geschichte der Bayreuther Wagner-Festspiele eine Frau die Premieren-Aufführung. Sie stammt aus Brody in der Westukraine, wie auch der Schriftsteller Joseph Roth.

Im Bereich des Sports gehört der Ex-Profiboxer Vitali Klitschko zu den in Deutschland bekannten Gesichtern. Der frühere Wahl-Hamburger amtiert seit 2014 als Bürgermeister der Drei-Millionen-Stadt Kiew, der Metropole des Landes.

Katastrophen und Konflikte belasten die Ukraine. Der 1986 erfolgte Reaktorunfall von Tschernobyl hatte erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung.

Russland annektierte 2014 die Krim-Halbinsel, in der Ost-Ukraine in den Gebieten Donezk und Luhansk stehen sich pro-russische Separatisten und ukrainische Regierungstruppen gegenüber. Aktuell befürchtet die Ukraine Nachteile durch das Gas-Pipeline-Projekt Nord Stream 2, wenn es damit die eigene Funktion als Gas-Transitland mit entsprechenden Einnahmen verlieren sollte. Gewünscht wird in der Ukraine von Deutschland mehr Unterstützung für seine Verteidigungsaufgaben.

Eine rege Reise-Diplomatie kennzeichnen die letzten Monate in den Beziehungen zwischen beiden Ländern. Bundeskanzlerin Merkel unterstreicht bei ihrem Besuch am 22. August ausdrücklich „die freundschaftliche Verbundenheit“. Sie ehrte in einer Kapelle die 2014 am Kiewer Maidan (Platz der Unabhängigkeit) getöteten proeuropäischen Demonstranten. Hier hatten im November 2013 die zunächst stillen Proteste gegen die fehlende europäische Perspektive der damaligen Regierung begonnen. Präsident Selenskyj trifft Angela Merkel im prachtvollen barocken Marienpalast, an dessen Restauration Jevgenij Kulikov so erfolgreich beteiligt war und wofür er 1983 mit dem renommierten Schwetschenko-Preis ausgezeichnet wurde.

Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj absolvierte im Juli 2021 einen offiziellen Deutschland-Besuch. „Die Ukraine ist ein wichtiger Partner in unserer unmittelbaren europäischen Nachbarschaft. Wir schätzen die klare Ausrichtung nach Europa und haben ein hohes Interesse an geopolitischer Stabilität, Souveränität und Modernisierung in der Ukraine. Deshalb unterstützen wir die Reformanstrengungen der Ukraine.,“ äußerte sich dabei der NRW-Ministerpräsident. In dem Gespräch zwischen Laschet und Präsident Selenskyj ging es um Möglichkeiten, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und der Ukraine zu vertiefen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfing im April den Ministerpräsidenten der Ukraine, Dr. Denys Shmyhal, zum Gespräch und traf am 8. August mit Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj zusammen.

Die Ukraine ist nach Russland der größte Staat Europas. Am 7. Februar 2019 verankerte dessen Parlament mit einer Mehrheit von 334 der 450 Abgeordneten in der Verfassung eine „strategische Orientierung der Ukraine zum vollständigen Beitritt zur EU und der NATO“.

Das Schicksal seines Geburtslandes beeinflusste maßgeblich Biografie und Lebenslinie von Jevgenij Kulikov, der am 25. Mai 1946 in Kiew das Licht der Welt erblickte. Die Ereignisse seines Lebensweges und das daraus resultierende Denken und Handeln sowie sein facettenreiches künstlerisches Wirken summieren sich zu seinem „Universum“. An dieser Gesamtheit von Raum, Zeit, Materie und Energie lässt er die Besucher der Ausstellung zu seinem 75. Geburtstag nun teilhaben, die folgerichtig den Titel „Mein Universum“ trägt. Zwar stehen generell Kunstliebhabern die Türen in seinem Freusburger Burgatelier offen, die Freudenberger Ausstellung bietet nun jedoch konzentriert und umfassend einen Einblick in sein Lebenswerk.

Kulikov: „Das Konzept der Ausstellung ist der philosophisch-allegorische Versuch der Welt Sinnhaftigkeit zu verleihen, mit Mitteln der Malerei, der Bildhauerei und ebenso mit denen des Theaters.“ Die Gäste dürfen sich also auf eine vielfältige Werkschau freuen. Ein Gemälde trägt passend die Bezeichnung „Mein Universum“, andere „Geburt des Phönix“, „Das Oratorium der Zeit“ oder „Altar der Unsterblichkeit“. 

Das Museum zeigt die Ausstellung in der Zeit vom 2. Oktober bis zum 14. November 2021. Es ist mittwochs, samstags und sonntags von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet. Sonderführungen sind nach Absprache möglich.

Ein beeindruckendes Lebenswerk von Hanne Volk

Ausstellung „Auf den Pfaden der Erinnerung“ eröffnet

Die Kuratorin entdeckte die Künstlerin im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Freundin von Hanne Volk gab Dr. Ingrid Leopold den Tipp für eine Ausstellung mit der Betzdorfer Malerin. So nahm die 4Fachwerk-Vizevorsitzende Kontakt mit Hanne Volk auf und besuchte sie in ihrem Zuhause. Noch heute erinnert sich Ingrid Leopold genau an die Reise von Raum zu Raum, vom Dachgeschoss bis in den Keller: „Ich habe eine Biografie in Bildern erlebt. Hanne Volk wusste zu jedem Werk eine Geschichte zu erzählen.“ Und so entstand bereits bei der ersten Begegnung der Titel „Auf den Pfaden der Erinnerung“ für die Ausstellung im Freudenberger 4Fachwerk-Museum.

Am Freitagabend konnte die Ausstellung der „Grande Dame“ der Altenkirchener Kunstszene eröffnet werden. Sie kam begleitet von zweien ihrer Söhne zur Vernissage. „Ein großer Bahnhof für eine sehr bemerkenswerte Künstlerin“, fand Dieter Siebel, der Vorsitzende des Museumsvereins vor den „maskierten“ Gästen. Es ist die größte Einzelausstellung von Hanne Volk, die die ganze Bandbreite ihres künstlerischen Schaffens zeigt.

Dr. Ingrid Leopold stellte den Lebensweg der Malerin vor, die 1929 in Köln das Licht der Welt erblickte. Ihr Vater, der bis zu seinem frühen Tod 1938 selbst so gerne zeichnete, weckte wohl in Hanne Volk die frühe Leidenschaft für Kunst. Der Krieg zerstörte jedoch alle Hoffnungen auf den Besuch einer Kunstschule. Mutter und Tochter flohen aus der zerstörten Domstadt zu den Großeltern nach Betzdorf. Für die spätere Mutter von drei Söhnen stand zunächst die Familie im Mittelpunkt. Dann, ab 1987, fertigte sie erste Aquarelle. Sie ließ sie sich sorgfältig fortbilden. Blumen, Landschaften und Häuser aus ihrer näheren Umgebung fanden sich auf ihren Blättern wieder. Talent, Ausdauer, Experimentierfreude, Neugier auf Neues und ein wacher Blick führten zur Meisterschaft, zu zahlreichen beeindruckenden Darstellungsvarianten. „Sie ist ein weltoffener Mensch, hoch interessiert am politischen Geschehen. Und sie äußert ihre Meinung künstlerisch.“ Ingrid Leopold spricht damit eine Phase sozialkritischer Collagen an. 

Anstelle der 92-jährihen Künstlerin ergreift ihr Sohn Hans-Jürgen Volk das Wort und dankt im Namen seiner Mutter den 4Fachwerk-Aktiven für die Ausstellung, die vielleicht so etwas wie ein „krönende Abschluss“ sei. Er sehe in den Werken konzentrierte Lebenserfahrung: „Ich spüre das Leben meiner Mutter darin.“ Sie hänge an ihrer Heimat, sei außerordentlich naturverbunden, liebe Blumen, Wald und Pflanzen. Ihr Garten sei ein Kleinkunstwerk für sich. Sie zeichne sich aber auch durch eine beeindruckende Haltung zu Gegenständen aus, für sie hätten auch „Dinge“ ein Wesen. Er schätze, so der Sohn und Pfarrer, das ehrliche Interesse seiner Mutter am Leben junger Menschen und die bewusste Wahrnehmung der weniger erfreulichen Dinge. Ihre Botschaft sei, das Leben in all seinen Facetten zu achten. Sie wolle auch aufrütteln: Wenn wir den Planeten erhalten wollen, müssen wir unser Leben ändern. Auch das können Motive zum Ausdruck bringen, Empfindungen auslösen und Eindrücke vermitteln.

Viele Gäste genossen das Wiedersehen mit Hanne Volk, die mit sichtbarer Freude das ehrliche Interesse an ihren Bildern wahrnahm und gerne kurze Erläuterungen gab.  „Kunst hält jung,“ fand abschließend Dieter Siebel und empfahl „Engagieren sie sich!“

Die Ausstellung kann bis zum 26. September 2021 besucht werden. Das Museum ist mittwochs, samstags und sonntags von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet, Sonderführungen sind auf Anfrage möglich. Der Eintritt beträgt drei Euro. Es gelten die Corona-Hygieneregeln.

Ab 14. August: 4FACHWERK-Museum präsentiert künstlerisches Lebenswerk von Hanne Volk

Pfade der Erinnerung

Ihre Werke zu zählen hat die Betzdorfer Künstlerin Hanne Volk inzwischen aufgegeben. Ihr Wohnhaus kombiniert die Funktionen von Museum und Depot. Jeder Raum strahlt die beeindruckende Schaffenskraft der „Grande Dame“ darstellender Kunst im Kreis Altenkirchen aus. Und es gibt nicht nur „die eine Handschrift“. Stile und Darstellungsweisen von Hanne Volk sind ganz unterschiedlich, dokumentieren ihren vielfältigen künstlerischen Entwicklungsweg, aber auch ihre besonderen Interessen und ihre den Werken zugrunde liegenden Gedanken. Die reichen von Poesie bis Politik.

Sie ist an Geschichte interessiert. Tief beeindruckt zeigt sich Hanne Volk von Höhlenmalereien, die sie bei Reisen in die Toskana entdeckte und sie zu eigenen Bildern inspirierte. „Es liegt einfach im Menschen, sich bildhaft auszudrücken. Seien es Formen, die in Stein geritzt wurden oder früheste farbige Darstellungen, die den felsigen Untergrund Teil des Bildmotives werden lassen.“ Von der Kreativität abstrakter Symbole oder verblüffend natürlicher Motive zeigt sie sich überwältigt.

Die Reduktion auf plastische Form und plakative Farbe greift Hanne Volk in einer eigenen Serie auf, mit der sie die Westerwald-Landschaften in den Blick nimmt. Viele Anregungen dafür erfuhr sie in einem Altenkirchener Künstlerkreis um den Maler Ulrich Summerer. Zunächst widmete sich die Künstlerin der Aquarell-Malerei. Bei Erwin Rickert, dem früheren Betzdorfer Kunstlehrer, fand sie Anleitung und Austausch.

„Mein Vater hat schon gemalt,“ erzählt die 1929 in Köln geborene Hanne Volk. Es dürfte der Beginn einer frühen Sehnsucht gewesen sein, selbst Bilder zu gestalten. Für die Mutter von drei Söhnen stand aber erst die eigene Familie im Mittelpunkt.

Der Aquarellmalerei ist sie treu geblieben, fertigt gerne auch Tusche-Zeichnungen an und arbeitet mit Acryl. „Ölfarben stinken mir zu viel,“ so die Künstlerin ganz pragmatisch. Collagen üben einen kreativen Reiz auf sie aus. Für zahlreiche Motive steht die Natur Pate: „Mich hat sehr angerührt, wie Tiere und Pflanzen in der Lage sind, Kunstwerke entstehen zu lassen.“ So schaffte es ein Wespennest zur großformatigen Darstellung oder ein Rhabarberblatt mutierte farblich konserviert zum Kunstobjekt. Die Blumenwelt des eigenen Gartens gab immer wieder Anregungen, ihre Eigenarten mit Pinsel und Farben festzuhalten. Für zahlreiche regionale Landschafts- und Gebäudedarstellungen begab sie sich vor Ort, um hier Stimmungen und Eindrücke ungefiltert aufzunehmen. Zahlreiche Reisen gaben Anstoß und Antrieb, neue Empfindungen künstlerisch aufzuarbeiten. Letztlich steckt hinter jedem Werk eine eigene Geschichte, die die 92-Jährige fantastisch zu erzählen weiß.

Den Spannrahmen auf Ihrem Arbeitstisch füllen gerade kleinere Aquarelle und Postkarten mit unterschiedlichen Fachwerk-Motiven. Eine Collage soll entstehen. „Fachwerk verbinde ich seit Kindheitstagen immer mit ‚Heimat‘, da komme ich irgendwie zur Ruhe,“ erläutert Hanne Volk die Idee für ihr nächstes Vorhaben. Heimat spielte auch eine Rolle für Ihre Collagen zum Thema Haubergswirtschaft und Hüttenindustrie. Das, was das Siegerland lange Jahrhunderte prägte, verbindet sie in ihren Werken zu einer Komposition aus photographischer Darstellung und kreativem Pinselstrich, ein Gesamtkunstwerk, das dem Betrachter eine besondere Bildergeschichte vermittelt. 

Einen Überblick darüber, was sie in Jahrzehnten insgesamt künstlerisch geschaffen hat, bietet in der Zeit vom 14. August bis zum 26. September 2021 das Freudenberger 4Fachwerk-Museum. Kuratorin Dr. Ingrid Leopold bereitete die Ausstellung in zahlreichen Gesprächen mit der Künstlerin vor: „Sie ist mir mit ihrer zugewandten Persönlichkeit und ihrem großen kreativen Können richtig ans Herz gewachsen.“ Aus der Fülle der Werke die repräsentative Auswahl zu treffen, sei die große Schwierigkeit gewesen. „Jede Schaffens-Phase lohnt eigentlich zu einer eigenen Präsentation.“

Nun wird man in der Freudenberger Altstadt die Persönlichkeit und das breite Werk-Spektrum von Hanne Volk kennenlernen können. „Für die Künstlerin sind es ‚Pfaden der Erinnerung‘, für die Besucher werden es Wege ästhetischer Begeisterung sein,“ findet Ingrid Leopold. Die Vernissage ist für Freitag, den 13. August 2021, 19:00 Uhr, geplant.

Quadratisch. Farbig. Kreativ.

„Farbenwelten“-Ausstellung im 4Fachwerk-Museum eröffnet

„Das ist doch einmalig. Einzelne Bilder, die im Quartett gleichwohl ein gemeinsames Motiv ergeben.“ Marli Bartling zeigte sich angetan von der Idee, die Angelika Brenner und die Mitwirkenden ihrer Malschule Ulrike Lenz, Martina Schiebe und Simone Dilling als Grundlage für ihre Ausstellung im Freudenberger 4Fachwerk-Museum wählten.

Die sachkundige Moderation durch Marli Bartling, die im Westerwald lebt und arbeitet, erwies sich als Glückgriff für die Ausstellungseröffnung im Alten Flecken. Der Kunst- und Kulturexpertin von Rang, selbst ausgebildet an den Kunstakademien Salzburg und Trier sowie als Studierende in Berlin und München, gelang es im Gespräch ausgesprochen einfühlsam und informativ die Gedanken der Malerinnen hinter der Textur ihrer Bilder herauszufiltern.

Gemeinsam in einem Atelier tätig, verständigen die sich auf eine Thematik, die dann sowohl im Muster wie in Materialien individuell ausgeführt wird. Nach diesem ersten Entstehungsprozess fügen sich die Werke in einem weiteren Schritt als Vierer-Format wieder zusammen.
Aufgeschreckt von der Umwelt-Vermüllung stellt ein Bilder-Kanon den Meeresboden in den Mittelpunkt. „Wir betrachten hier die Farbe Rot als Aufschrei, als Warnung,“ erläutert Angelika Brenner die gezielte Kolorierung.
Sie wird als langjährige Kunst-Dozentin vorgestellt, u.a. bei der VHS Kirchen tätig, deren berufliche Ausbildung als Technische Zeichnerin gewiss prägend sei. „Brenners künstlerische Handschrift besticht durch genaues Arbeiten und präzises Beobachten“, so Marli Bartling.

Ein anderer Zyklus der vier Malerinnen zeigt sich inspiriert durch das schöpferische Wirken des Expressionisten, Bauhaus-Pädagogen und Wegbereiter der abstrakten Kunst, Wassily Kandinsky (1866-1944). Auch hier fügen sich Einzelarbeiten mit unterschiedlichen Materialien wie Öl, Acryl und Kreide letztlich zu einer formalen quadratischen Einheit.
Das Korrosionsprodukt „Rost“ verleitete die Vier zu einem weiteren Kunst-Experiment. In Collage-Technik wird der Vergänglichkeit eine neue ästhetisch-plurale Dauerhaftigkeit verliehen.

Abgerundet wird die Ausstellung zusätzlich durch Portrait-Darstellungen und eine Bildreihe „Schmetterlinge“. Bartling: „Eine Handwerklichkeit, die man erst einmal können muss.“

Nach der offiziellen Eröffnung durch den 4Fachwerk-Vorsitzenden Dieter Siebel konnten die Gäste die Werke eingehend im Detail betrachten. Der obligatorische Mund-Nasenschutz der inzwischen Corona-konditionierten Museumsgäste stand dem intensiven Kunst-Dialog nicht im Weg. Für viele war dies nach langer Pandemie-Auszeit wieder ein erster Ausstellungsbesuch: „Hoffentlich bleiben die Werte unten, damit Kultur wieder leben kann,“ so der vielfach gehörte Wunsch an diesem Abend.
Die Ausstellung ist bis zum 8. August 2021 zu sehen. Der Eintritt beträgt 3 Euro. Sonderführungen sind nach Absprache möglich.