Von Stahlschmidt bis Tick-Tack-Krämer

Ian D. Foweler lässt die Freudenberger Uhrentradition lebendig werden
Erneuter Vortrag des Uhrenhistorikers im 4FACHWERK-Mittendrin-Museum

Diesmal also Johann Peter Stahlschmidt. Der Uhrenhistoriker Ian D. Fowler sieht in ihm nicht nur einen wichtigen Uhrmacher der engeren Region, sondern bedeutend für die Uhrengeschichte des 18. Jahrhunderts insgesamt: „Denn über ihn wissen wir viel!“
Zahlreiche Quellen belegen das Wirken des im Jahre 1751 in Plittershagen geborenen Mannes, der später den Grundstock für die Uhrenmanufakturen in Freudenberg legen sollte.

Er ist der älteste Sohn der Familie mit insgesamt 9 Kindern, den mit 12 Jahren das Schicksal trifft, Vollwaise zu werden. Und es dauert bis zu seinem 23. Lebensjahr, als er in Siegen seine Uhrmacherlehre beginnen kann. „Ob es dafür familiäre Gründe gibt?“ Ian D. Fowler stellt Vermutungen an, denn so tief hat er sich in die Materie eingearbeitet: Die Tante von Johann Peter Stahlschmidt ist mit Johann Heinrich Daub aus Niederndorf verheiratet. Und die Mutter seines Lehrmeisters Johann Georg Spies ist ebenfalls eine geborene Daub aus Niederndorf.

Jedenfalls schließt Stahlschmidt seine Lehre im Juli 1777 bei Spies in Siegen erfolgreich ab und macht sich umgehend als Wandergeselle auf den Weg. Da er darüber präzise Buch führt, lassen sich genaue Daten nachvollziehen: 1.200 km legte er dabei zurück, wanderte 270 Stunden und besuchte 50 Städte. „Da er aber in nur vier Orten arbeitete, ist das eigentlich eine magere Ausbeute“, wertet Fowler. Am längsten wirkte er in Hamm und Münster. „Er war nicht in Frankfurt oder Neuwied, Orte die damals als ‚Hochburgen des Uhrenbaus’ galten.“

Trotzdem schaffte er später ganz erstaunlich Werke, die bis heute weit über 200 Jahre Bestand haben und „auch immer noch funktionieren“. Offenkundig endet 1781 seine Wanderschaft und im Juni dieses Jahres richtet er in dem Haus Oranienstraße 31 seine Werkstatt ein – und sollte hier bis zu seinem Tod 1833 leben. Seine erste Uhr, ausgestattet mit einem 30-Stunden-Uhrwerk, so ist überliefert, fertigt er für Johann Möller in Ferndorf zum Preis von 28 Taler an. Es ist, so Fowler, seine einzige Uhr mit einem Zinn-Zifferblatt.
Also schaffte er sich erst einmal eine wirtschaftliche Grundlage, um dann sein Meisterstück zu bauen, das er 1785 der Hammerschmiedezunft präsentiert, die dem ersten Freudenberger Uhrmacher am 8. August dafür den Meisterbrief ausstellt.
Er dürfte mit seiner Handwerkskunst im Ort auf eine Marktlücke gestoßen sein, wobei die Kriegszeiten von 1792 bis 1815 auch für ihn problematisch gewesen sind. Ob es womöglich eine „Sonderkonjunktur“ nach dem Kriegskassenraub von 1796 gegeben habe, lies der Referent verschmitzt offen. Jedenfalls richtet Stahlschmidt 1814 die dringende Bitte an General Freiherr von Gagern, seinen Sohn Eberhard vom Militärdienst zu befreien, da dieser für die Produktion der Uhren und damit für den Unterhalt der Familie unentbehrlich sei.

Allein die Materialbeschaffung dürfte damals schon eine Herausforderung gewesen sein. Fowler vermutet, der Tausch von Sohlleder gegen Wolle im Dilltal und diese gegen Messing in Frankfurt könne ein nachvollziehbarer Weg gewesen sein. Dieses Messing benötigte er für die Platinen, denn nur in der Zeit von 1809-1811 sind diese bei ihm aus Eisen nachgewiesen. Auch das Material der Zifferblätter – Emaille oder Keramik – lasse Rückschlüsse auf Handelsbeziehungen zu. Fowler verdeutlichte an zahlreichen Fotos, wie durch typische Applikationen und die besondere pilzförmige Hammerfederverkeilung Werke von Stahlschmidt zu identifizieren sind. „Mit welchen technischen Hilfsmitteln wurden die Zahnräder hergestellt, verfügte er über eine kleine Gießerei?“ – Für viele Fragen suchte Ian D. Fowler nach Erklärungen.

Im Jahre 1827 übernimmt der zweit-jüngste Sohn Tillmann Stahlschmidt die väterliche Uhrenwerkstatt. Und so setzt sich die Uhrentradition fort: Eines der vier Kinder von Tillmanns Tochter Maria Clara (1835-1868), Ewald (1863 – 1938), ist weiter als Uhrmacher in Freudenberg tätig. Entsprechend wird diese Krämer-Linie in jener Zeit „Tick-Tack“ genannt. Aber über diese Nachfahren sowie von Johann Peter Stahlschmidt und seinem Sohn Tillmann ausgebildete Uhrmacher will Fowler in seinem nächsten Vortrag am 25. November 2015 berichten.

Das wieder einmal bis auf den letzten Platz gefüllte Mittendrin-Museum zeigte das hohe Interesse an der Siegerländer Uhrmachertradition wie die große Wertschätzung über das Fachwissen des Referenten. „Wir haben wieder sehr viel gelernt“, freute sich 4Fachwerk-Vorsitzender Dieter Siebel.