Pfade der Erinnerung
Ihre Werke zu zählen hat die Betzdorfer Künstlerin Hanne Volk inzwischen aufgegeben. Ihr Wohnhaus kombiniert die Funktionen von Museum und Depot. Jeder Raum strahlt die beeindruckende Schaffenskraft der „Grande Dame“ darstellender Kunst im Kreis Altenkirchen aus. Und es gibt nicht nur „die eine Handschrift“. Stile und Darstellungsweisen von Hanne Volk sind ganz unterschiedlich, dokumentieren ihren vielfältigen künstlerischen Entwicklungsweg, aber auch ihre besonderen Interessen und ihre den Werken zugrunde liegenden Gedanken. Die reichen von Poesie bis Politik.
Sie ist an Geschichte interessiert. Tief beeindruckt zeigt sich Hanne Volk von Höhlenmalereien, die sie bei Reisen in die Toskana entdeckte und sie zu eigenen Bildern inspirierte. „Es liegt einfach im Menschen, sich bildhaft auszudrücken. Seien es Formen, die in Stein geritzt wurden oder früheste farbige Darstellungen, die den felsigen Untergrund Teil des Bildmotives werden lassen.“ Von der Kreativität abstrakter Symbole oder verblüffend natürlicher Motive zeigt sie sich überwältigt.
Die Reduktion auf plastische Form und plakative Farbe greift Hanne Volk in einer eigenen Serie auf, mit der sie die Westerwald-Landschaften in den Blick nimmt. Viele Anregungen dafür erfuhr sie in einem Altenkirchener Künstlerkreis um den Maler Ulrich Summerer. Zunächst widmete sich die Künstlerin der Aquarell-Malerei. Bei Erwin Rickert, dem früheren Betzdorfer Kunstlehrer, fand sie Anleitung und Austausch.
„Mein Vater hat schon gemalt,“ erzählt die 1929 in Köln geborene Hanne Volk. Es dürfte der Beginn einer frühen Sehnsucht gewesen sein, selbst Bilder zu gestalten. Für die Mutter von drei Söhnen stand aber erst die eigene Familie im Mittelpunkt.
Der Aquarellmalerei ist sie treu geblieben, fertigt gerne auch Tusche-Zeichnungen an und arbeitet mit Acryl. „Ölfarben stinken mir zu viel,“ so die Künstlerin ganz pragmatisch. Collagen üben einen kreativen Reiz auf sie aus. Für zahlreiche Motive steht die Natur Pate: „Mich hat sehr angerührt, wie Tiere und Pflanzen in der Lage sind, Kunstwerke entstehen zu lassen.“ So schaffte es ein Wespennest zur großformatigen Darstellung oder ein Rhabarberblatt mutierte farblich konserviert zum Kunstobjekt. Die Blumenwelt des eigenen Gartens gab immer wieder Anregungen, ihre Eigenarten mit Pinsel und Farben festzuhalten. Für zahlreiche regionale Landschafts- und Gebäudedarstellungen begab sie sich vor Ort, um hier Stimmungen und Eindrücke ungefiltert aufzunehmen. Zahlreiche Reisen gaben Anstoß und Antrieb, neue Empfindungen künstlerisch aufzuarbeiten. Letztlich steckt hinter jedem Werk eine eigene Geschichte, die die 92-Jährige fantastisch zu erzählen weiß.
Den Spannrahmen auf Ihrem Arbeitstisch füllen gerade kleinere Aquarelle und Postkarten mit unterschiedlichen Fachwerk-Motiven. Eine Collage soll entstehen. „Fachwerk verbinde ich seit Kindheitstagen immer mit ‚Heimat‘, da komme ich irgendwie zur Ruhe,“ erläutert Hanne Volk die Idee für ihr nächstes Vorhaben. Heimat spielte auch eine Rolle für Ihre Collagen zum Thema Haubergswirtschaft und Hüttenindustrie. Das, was das Siegerland lange Jahrhunderte prägte, verbindet sie in ihren Werken zu einer Komposition aus photographischer Darstellung und kreativem Pinselstrich, ein Gesamtkunstwerk, das dem Betrachter eine besondere Bildergeschichte vermittelt.
Einen Überblick darüber, was sie in Jahrzehnten insgesamt künstlerisch geschaffen hat, bietet in der Zeit vom 14. August bis zum 26. September 2021 das Freudenberger 4Fachwerk-Museum. Kuratorin Dr. Ingrid Leopold bereitete die Ausstellung in zahlreichen Gesprächen mit der Künstlerin vor: „Sie ist mir mit ihrer zugewandten Persönlichkeit und ihrem großen kreativen Können richtig ans Herz gewachsen.“ Aus der Fülle der Werke die repräsentative Auswahl zu treffen, sei die große Schwierigkeit gewesen. „Jede Schaffens-Phase lohnt eigentlich zu einer eigenen Präsentation.“
Nun wird man in der Freudenberger Altstadt die Persönlichkeit und das breite Werk-Spektrum von Hanne Volk kennenlernen können. „Für die Künstlerin sind es ‚Pfaden der Erinnerung‘, für die Besucher werden es Wege ästhetischer Begeisterung sein,“ findet Ingrid Leopold. Die Vernissage ist für Freitag, den 13. August 2021, 19:00 Uhr, geplant.